An der laufenden Debatte über die Haltung des baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon zu den "Protokollen der Weisen von Zion" lässt sich die miserable Verfassung unserer politischen und geistigen Kultur ersehen. Sie ist ein weiteres erschreckendes Beispiel, wie notwendige Auseinandersetzungen und Einsichten strategisch blockiert werden - mit oberflächlichen und irreführenden argumentativen Automatismen und fortgesetzter Desinformation. Leider muss man der angeblichen "Alternative für Deutschland" (AfD) in diesem Fall bisher ein schlechtes Zeugnis betreffs einer echten Erneuerung ausstellen. Sie läuft in die altbekannten Fallen - und weiß es an entscheidender Stelle wie dieser anscheinend dann auch nicht besser als die vermeintlichen Aufklärer, die von linker Seite seit Jahrzehnten den Diskurs bestimmen. Dass Gedeons Fraktionschef Jörg Meuthen sich von seinem Kollegen distanziert, exekutiert dann noch einmal die Logik der Nazi-Keule, von der man in diesen Kreisen eigentlich loskommen wollte. Aber das allein ist es, was Redakteure, deren Bildung nicht weit hinreicht, am liebsten berichten mögen - und wofür Medienkonzerne ihre Schergen in Position gebracht haben.
Zunächst der wiederholte Hinweis auf meine eigene Auseinandersetzung mit dem Thema. Einige zusammenfassende und ergänzende Informationen zum Buch "Okkultsymbolik und Machtpolitik" habe ich der Öffentlichkeit vor Monaten als Video zugänglich gemacht.
Es ist der in akademischen Kreisen für etwas unterkomplexe Erklärungsansätze geschätzte Armin Pfahl-Traughber, der in "haGalil" (26.05.2016) seine Auffassung zu Gedeon und den "Protokollen" darlegen darf. Ich muss mich hier in der Sache vorerst auf ihn stützen.
Band 3 von Gedeons - unter dem Pseudonym W. G. Meister publiziertes dreibändiges Werk "Christlich-europäische Leitkultur. Die Herausforderung Europas durch Säkularismus, Zionismus und Islam" ist über den regulären Buchhandel komplett bestellbar; bei amazon nur Bd. 1 und 3. In öffentlichen Bibliotheken, auf die ich angewiesen bin, habe ich per Katalog nur Bd. 3 finden können. Man sieht schon an diesem Umstand, dass diese Debatte im nahezu luftleeren Raum geführt wird. Selbst akademische Historiker (die wohl nicht immer schnell 30-90 Euro investieren werden) haben derzeit dementsprechend kein eigenes Bild davon, was Gedeon eigentlich schreibt.
Ich befürchte, dass Pfahl-Traughber in der folgenden Wiedergabe von Gedeons Argumentation im zweiten Band korrekt ist:
Darin heißt es gleich zu Beginn: „Die Protokolle sind mutmaßlich keine Fälschung“ (S. 466), wobei Gedeon den durch einfachen Textvergleich nachweisbaren Tatbestand des Plagiats leugnet. Er listet im Literaturverzeichnis übrigens weder eine Originalausgabe der „Protokolle“ noch die Schrift von Joly auf. Auch ignoriert er bis auf ein kleines Buch komplett den umangreichen [sic] Forschungsstand zum Thema. Dafür schreibt der jetzige AfD-Landtagsabgeordnete: „Ich halte die Beurteilung Fleischhauers … für plausibel. Danach handelt es sich um die Mitschrift einer Geheimtagung …“ (S. 466) Bei der gemeinten Person handelte es sich um Ulrich Fleischhauer, den Leiter des „Weltdienstes“. Diese formal private und unabhängige Einrichtung wurde von Goebbels’ Propagandaministerium bei ihrem judenfeindlichen Wirken finanziell unterstützt.
Aber auch Fleischhauers „Gutachten“ in dieser Frage kennt Gedeon ausweislich des Literaturverzeichnisses seiner Triologie nicht. Er beruft sich bei all seinen Aussagen aus zweiter Hand auf einen Johannes Rothkranz, einen katholischen Fundamentalisten, der durch verschwörungsideologische Publikationen mit antisemitischen Tendenzen bekannt geworden ist.
Zum Forschungsstand gehören mittlerweile nun auch meine Ausführungen in "Okkultsymbolik und Machtpolitik". Sie verdeutlichen, dass beide Seiten es sich hier zu einfach machen. Unmöglich kann ein solcher Text die "Mitschrift einer Geheimtagung" sein - hier hat Pfahl-Traughber natürlich Recht. Der von Gedeon herangezogene Johannes Rothkranz fing sich durch die Verwendung der "Protokolle" in seinem noch unabgeschlossenen Mammutwerk "Die ‚Protokolle der Weisen von Zion‘ - erfüllt!" (2004) schon die Anklage wegen Volksverhetzung ein. Dabei sind die bisher publizierten drei Teilbände eine der materialreichsten Informationsquellen zum Rothschild-Komplex.
Ich spreche betreffs der "Protokolle" von einer Immunisierung gegen Kritik. Allgemein verbreitete naive Argumentationen wie die von Pfahl-Traughber suggerieren effektiv, dass jedweder Inhalt der "Protokolle" deshalb irrelevant sei, weil dieser Text eine Kompilation aus Texten über Verschwörungen ist. Gedeon liefert mit seinem - nun in allen Zeitungen brav breitgetretenen - Vorgehen abermals die Gelegenheit, die angebliche Dummheit von Verschwörungstheoretikern und die Unechtheit der "Protokolle" zu bezeugen. Von vielerlei wirtschaftshistorischen Fakten, die etwa ein Rothkranz in seinem Buch ausbreitet, weiß hierzulande kaum einer, der sich Historiker nennen darf. Erst recht lässt man im Schrifttum nichts davon verlauten.
Der Begriff "Zionismus" ist ein Trigger-Wort für die linksliberale Öffentlichkeit. Er ist ebenso irreführend wie "Judentum" oder "Antisemitismus". Denn weder gibt es "die Juden", noch bezeichnet das "Semitische" irgendetwas präzise, was zu diesem Begriff permanent besprochen wird - die pauschale Abwertung bis reale Verfolgung von Menschen, die der jüdischen Religion angehören. Auch der Zionismus zerfällt in mehrere Strömungen - von was dabei genau die Rede ist, kann aber nicht bei jeder Verwendung des Begriffs gesagt werden.
In diesen Zeilen hier werde ich eine solch delikate Debatte kaum aufrollen können. Es sei aber bestimmt daran erinnert, dass wir von einer wirklichen Aufarbeitung aller Aspekte von Judentum, Antijudaismus und Anti-Zionismus (der jüdisch sein kann), von Holocaust und Geschichtsrevisionismus noch weit entfernt sind. Meine eigene Argumentation versucht auch, Gerechtigkeit walten zu lassen gegenüber problematischen Quellen. Für Ulrich Fleischhauers Gutachten über die "Protokolle" zeige ich im Buch an einer von ihm bemühten Quelle, wie vertrackt und dabei verdächtig diese Tradition von Argumenten und Zitaten eigentlich ist. Die Naivität der herrschenden Geschichtsschreibung (von globalistischen Macht-Eliten sicher höchst erwünscht) besteht u. a. darin, klassische Taktiken der Verwirrung und Desinformation nicht zu verstehen. Letztere können z. B. darin bestehen, richtige mit falschen Informationen zu vermischen. Ein Historiker, der sich in diesem Machtspiel instrumentalisieren lässt, ist keiner. Er wird selbst zum Propagandisten und verbreitet - teilweise wohl, ohne es selbst zu wissen - Ammenmärchen.
Soviel kann ich hier noch sagen: Das, wofür nach 1945 ein Volk wie die Deutschen kollektiv büßt, war seinerzeit in nahezu allen anderen Ländern nennenswert vorhanden: Feindschaft gegenüber Juden. Das heute verbreitete Bild des Judentums ist simplifizierend, gibt es doch darin moderne und extremistische Strömungen. Letztere triefen vor jenem Rassismus, den die naive Linke allein an Deutschland selbst da noch geißeln zu müssen vermeint, wo ihnen das Messer des aus Nahost hergetriebenen Islamisten schon an der Kehle sitzt. Die Beurteilung von jüdischen/israelischen Positionen hat differenziert zu erfolgen. So einfach, wie die naive Linke es sich seit Jahrzehnten macht, geht es allerdings nicht - vielleicht ist es für alle Betroffenen lebensgefährlich. Denn die Aussagen des Talmud, dem sich orthodoxe Juden verpflichtet fühlen, sind eindeutig. Ich habe sie auch hier im Blog schon zitiert und in meinem Buch ausführlicher erörtert. Mehr Verachtung gegenüber Andersgläubigen geht nicht. Und wir bekommen derlei nun auch von islamischer Seite mehr und mehr zu spüren: "#almanhass".
Insofern weckt Gedeons Buch mein Interesse - auch wenn man den Teufel eines jüdischen oder moslemischen Hasses auf Andersgläubige mit einem naiven Christentum als allerletztes wird austreiben können. Mit der „Herausforderung Europas durch Säkularismus, Zionismus und Islam“ im Titel trifft Gedeon allerdings direkt den Nerv eines existenziellen Themas. Wie gesagt: Es geht dabei um nicht weniger als die Bewahrung einer einzigartigen kulturellen Identität, wenn nicht des physischen Lebens. Hoffen wir, dass über die gewohnt dämlichen Umwege unserer ermüdenden Diskussionskultur irgendwann noch zielführende Botschaften und differenziertes Denken durchdringen.
Nicht nur eine Person wie ich ist dafür ansprechbar und sucht laufend das Gespräch. Dass unsere Öffentlichkeit bisher gezielt mit Scheindebatten beschäftigt wird und dabei gemäß gewisser Interessen wohl praktisch untergehen soll, lässt sich leider auch an diesem Fall erahnen.
Hier noch ein paar Worte von Wolfgang Gedeon selbst:
Dieser Artikel #Gedeon (#AfD), „Protokolle der Weisen von Zion“ – ein Desinfo-Zirkus erschien erstmals auf filmdenken.de.